Donnerstag, 30. Juni 2011

1. Abschnitt: Wie ich trotz und wegen der DDR (21)

Also der Regen kam schneller als ich das hier aufschreiben kann und mit urwüchsiger Kraft. Wir waren gerade an einem Grundstück vorbeigekommen, von dem eigentlich nur ein Rasenstück mit Baum zu erkennen gewesen war. Liane reagierte und dirigierte schneller, als ich denken konnte. Ehe ich mich versah, hatten wir unser Zelt aufgebaut und waren darin dabei, uns aus den nassen Sachen zu schälen. Da hob sich die Plane am Eingang. Ein Frauengesicht tauchte auf. So wie zuvor vom Regen wurden wir nun von einem Guss Schimpfworte – zumindest klang es so – überschüttet. Wir verstanden nur, dass die Frau Rumänisch sprach und unsere Versuche, auf Deutsch oder Englisch zu antworten, ignorierte. Nein: Wir verstanden noch, dass wir weg sollten. Erst kam es uns vor, als wollte die Frau uns von dem Privatgrundstück vertreiben. Sie war aber ausdauernd und so waren wir wenige Minuten später in dem Haus im Hintergrund, das wir bei dem dichten Regen überhaupt nicht gesehen hatten. Wir wurden in ein eigenes Zimmer mit Doppelbett und vielen Handtüchern eingewiesen und … kaum getrocknet hatten wir der „Hausherrin“ zu folgen:
In der „guten Stube“ empfing uns „die Familie“, die im Laufe des Nachmittags und Abends immer weiter anschwoll. Was sich dabei ereignete, war höchstens mit einer großen Hochzeitsfeier vergleichbar. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Rumänen zu dieser Zeit in dieser Gegend extrem ärmlich lebten. Uns waren die Alten vertraut, in Fahrzeugen, die „Busse“ zu nennen eine sehr charmante Schmeichelei war, mit Säcken zum nächsten Marktflecken unterwegs waren, um darin Fladen und anderes einfaches Essbares für die Gemeinschaft heranzubuckeln. Auf der Festtafel vor uns aber mangelte es an nichts. Immer wieder wurden wir unmissverständlich genötigt, das und das und das zu probieren. Jemand, mit dem wir uns hätten sprachlich verständigen können, fand sich nicht. Uns zu Ehren (?!) wurde ein Fest abgehalten, das uns in die Ebene von Staatsgästen erhob und das in der Menge das zusammengerechnete Monatseinkommen der Anwesenden übersteigen konnte. Übersättigt und stark angetrunken sanken wir letztlich irgendwann in unsere Himmelbetten. (Wir bekamen am Morgen mit, dass wir im Schlafzimmer der Bewohner einquartiert worden waren.)
Wir wurden verabschiedet wie gute alte Freunde – wenn auch in der Gewissheit, dass wir einander nie wieder sehen würden. Der Schock kam aber erst, als wir Mittagsrast machen wollten. Da stellte sich nämlich heraus, dass „jemand“ uns außer den Fresspaketen noch Bierflaschen in die Rucksäcke gesteckt hatte. Dazu muss man eben wissen, dass Bier in jener Gegend nicht nur extrem teuer, sondern auch selten gewesen war. Der heimliche Beschenker war zurecht davon ausgegangen, dass wir diese Gabe nicht angenommen hätten (hätten annehmen können) und das Bier eben das Getränk für Deutsche wäre..
Ich kann nicht einmal sagen, ob wir wenigstens auf Rumänisch „Danke!“ gesagt haben … (Zumindest den von den Anderen verwendeten Abschiedsgruß haben wir wiederholt.)

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